Interview Dr. Anna Felizitas Grazi (Berenanews) mit Dr. Inge Barfuss Goldstein (Affolter Stiftung)
AFG: Sehr geehrte Frau Barfuss Goldstein, Sie sind, wenn ich so sagen darf, die "Hausbiografin" der Walter Affolter Stiftung. Sie haben sich eingehend mit dem Leben und Wirken von Dr. hc. Walter Affolter auseinandergesetzt. Darf ich Sie um eine kurze Einführung in seine Jugendzeit und sein Umfeld bitten, bevor wir mit dem Interview beginnen?
IBG: Sehr gerne. Die Eltern von Walter, Emil und Klara Rosa Affolter haben 1877 im Basler Fraumünster geheiratet und sind zusammen in die neu gebaute Villa Rosenhain, zwischen Dornach und Arlesheim, gezogen. Walter ist anno 1880 als zweitältestes von drei Kindern, seiner Schwester Johanna Magdalena (Lene), geboren 1878 und seiner jüngeren Schwester Hedi Bernadette, geboren 1883, auf die Welt gekommen. Seine Jugend verlief wohlbehütet im grossbrgerlichen Haushalt. Der Mutter stand die Magd Adele Wismüller zur Seite die gute Seele des Hauses, die zuweilen auch die Kinder betreute. 1876 übernahm Emil Affolter die Firma seines Vaters, eine grosse Sattlerei, die bis anhin Luxusdroschken für die Oberschicht hergestellt hatte. Emil bereiste Südamerika und kam in Kontakt mit Händlern, welche Kautschuk und andere Rohstoffe exportierten. Insbesondere sein Onkel Karl Affolter, einer von drei Brüdern seines Vaters, ein studierter Jurist, war schon sehr früh im 19. Jarhundert nach Manaus Brasilien ausgewandert. Seine Heirat mit Isabella de Santos, Tochter eines Kautschukbarons bescherte ihm ein ansehnliches Vermögen. Diese Beziehung ermöglichte es ihm, dass er der erste Anwalt auf dem Platz wurde. Seine Kanzlei beschäftigte an die 15 Mitarbeiter, welche die umfangreichen Exportverträge für die Grossgrundbesitzer ausarbeiteten. So lag es denn fast auf der Hand, dass Emil, auf Anraten seines Onkels in das boomende Kautschukgeschäft einstieg. Karl hatte gute Beziehungen zu Nelson Goodyear, der das Patent für die Herstellung von Ebonit, einem besonders harten Gummimaterial, besass. So kam Emil zu einer Lizenz und begann zuerst seine Droschken mit Gummireifen zu versehen und später richtete er eine Kammschneiderei ein, welche aus Ebonit Kämme produzierte. Die Firma hatte schon bald eine ansehnliche Grösse. Der Ehegatte von Lene, der deutsche Chemiker Dr. Emanuel Hasenclever aus Jena hatte eine leitende Position in dem Labor der Affolterwerke inne. Lene, die zeitweise im Büro des Vaters arbeitete, lernte den talentierten jungen Mann schon bald kennen und die beiden wurden, wie man so schön sagt, ein Paar. Es war Walters Glück, dass sein Vater Emil sich sehr gut mit Hasenclever verstand, so konnte er sich um die Nachfolge im Geschäft drücken. Das kann der "Hasi", so nannte Lene Hasenclever ihren Mann, das kann der besser, hat Walter oft zu seiner Mutter gesagt. So konnte denn Walter seinem Wunsch, Historiker zu werden, nachkommen. Der frühe Tod von Emil Affolter 1901 war wie man sich denken kann, eine familiäre Tragödie; doch "Hasi" hat mit der Einwilligung von Schwiegermutter Klara Rosa und Schwager Walter, das Zepter in die Hand genommen. Damals war für Walter diese Patrilinearität selbstverständlich, die Schwestern wurden gar nicht gefragt.
AFG: Sehr schön. Sind Sie einverstanden, wenn wir später auf die Forschungstätigkeit von Walter Affolter eingehen und zuerst seine akademische Laufbahn kurz beleuchten?
IBG: Sehr gern.
AFG: War Walter Affolter das, was man heute einen Feministen bezeichnen würde?
IBG: Nein war er anfänglich und ich denke auch später nicht. Weder stand er während der Studienzeit einer Frauenbewegung nahe, noch interessierte er sich für die Gleichstellung von Frau und Mann, wie wir sie heute diskutieren. Er kannte jedoch zu viele bedeutende Frauen, um einem platten Biologismus der Differenz zu verfallen. 1901 besuchte er die erste Honorarprofessorin Preussens, die Altertumsforscherin Johanna Mestorf. Sie war es, die die Begriffe Einzelgrabkultur, Prachtmantel oder Moorleiche im Bereich der schnurkeramischen Kulturen prägte. Affolter war gar der Meinung, dass intelligente Frauen, wenn sie einmal ihre angestammte Rolle verlassen hatten, den Männern bstens das Wasser reichen konnten. Viel Später verbrachte er ja die Zeit zwischen 19?? und seiner Einlieferung in die psychiatrische Anstalt 19??, zu Hause bei seiner Mutter und seiner jüngeren Schwester. Die beiden Damen haben ihn sehr umsorgt und er konnte sich ganz seinen Passionen widmen, der Jagd und seiner Forschung. Er liess es sich gut gehen, ein Pascha ganz im Sinne seiner Zeit.
AFG: Er hat hat relativ wenig Schriftbarkeiten hinterlassen. Neben seiner Dissertation und einigen Forschungsberichten existiert ein mittlerer Briefnachlass, welcher erst noch in Bearbeitung ist, soviel ich weiss. Wie muss man sich denn seine Forschungen erklären?
IBG: Anfänglich war er stark beeinflusst von den Geistern seiner Zeit, insbesondere Nietzsche später aus besonderem Anlass von den Theorien Johann Jakob Bachofen. Frazers, Tylors und Morgans.
Wie Kant oder Spinoza verwirft er jedoch die Annahme von zweckgerichteten Prozessen in der Natur. Insbesondere die Kritik Spinozas gegen den teleologischen Anthropomorphismus gewisser Lehren teilte er voll und ganz. Er hat eine Dissertation über den Teleologie Begriff des deutsch-baltischen Naturforschers, Zoologen, Embryologen, Anthropologen, Geographen, und Forschungsreisenden, ja dem Entdecker der menschlichen Eizelle, Karl Ernst von Baer angefangen, diese aber nie abgeschlossen. Seinen Doktor erhielt er später von der Universität Berena ehrenhalber.
AFG: Wie ist er denn auf die Archäologie gekommen?
IBG: Bachofen, welcher im Matriarchat eine Durchgangsstufe der Entwicklung postulierte, weckte in Affolter ein reges Interesse an der Frühgeschichte und Mythenforschung. Ebenfalls kannte er die Feldforschung von Lewis Henry Morgan bei den matrifokalen Irokesen. 1902 erfuhr er auf einer Bildungsreise zu den griechischen Inseln, dass Sir Arthur Evans ein grosses Gelände zu Zwecken archäologischer Ausgrabungen auf Kreta erworben hatte. Auf dem Rückweg machte das Schiff mit den illustren Reisenden, alles wohlhabende Europäer, im Hafen von Berena auf Sehnah einen Zwischenhalt. Walter Affolter entschloss sich die Reisegesellschaft zu verlassen und auf eigene Faust die Insel zu bereisen…
AFG: Darf ich Sie unterbrechen, steht der Teleologie Begriff im Zusammenhang mit dem, was Bachofen und andere als evolutionäre Durchgangsstufe vermuteten?
IBG: Ich denke durchaus, dass dieser Zusammenhang gegeben ist. Seine Geisteskrankheit hat später viel mit den Fragen zu tun, die man heute als anthropisches Prinzip diskutiert. Wie etwa später der theoretische Physiker John Archibald Wheeler behauptete Affolter in seinen Schüben, das Universum existiere nur, solange er oder sonst etwas Wahrnehmendes dieses denke. Sobald das letzte Subjekt verschwunden sei, kollabiere das ganze System ins Nichts. Das aber nur nebenbei. Im 19ten Jahrhundert, bei bei Bachofen bewegte sich das Chthonische, die der Erde zugewandten Gottheiten, namentlich einer grossen Göttin, z.B. der sumerische Nammu, der Schöpferin der Götter, oder der Kybele etc. etc. hinauf zu den männlichen Hauptgöttern Zeus, denen das Kopfgebären scheinbar ein Anliegen war. Eine platonische Aufwärtsspirale als Zweckgebundenheit der anthropomorphen Natur sozusagen bis hin zum Monotheismus eines Amenophis IV, oder eines jüdischen Jahwe.
AFG: Diese Aufwärtsspirale war ihm natürlich zuerst mal suspekt denke ich?
IBG: Die war ihm geradezu zu wider. Nicht weil er zurück wollte zum chthonischen, nein, er wollte weg von alle dem. Später kapituliert er an den Befunden und Auswüchsen des Patriarchats und nicht an der Tatsache, dass er kein echtes Matriarchat ausgegraben hatte.
AFG: Wie ist das zu verstehen?
IBG: Als 1911 die zweite Republik in Sehnah eine neue Verfassung erhielt, war es die Gattin des Präsidenten Laconda Mollièr, welche sich stark für Frauenrechte eingesetzt hatte. Sie war beinahe vergleichbar mit der späteren argentinischen Präsidentengattin Evita Peron. Sie kam aus der unteren Mittelschicht, ihr Vater war Landvermesser und die Mutter stammte aus einer Bauernfamilie. Affolter fand in Laconda eine seiner grossen Verehrerinnen. Sie war angetan von den grossen Fragen des Mutterrechts und der Affolterschen Kritik an Bachofen. So war den auch das Frauenstimmrecht eine scheinbare Selbstverständlichkeit auf Sehnah. Der Text der Landeshymne "Oh Matria mia" wird ihr zugeschrieben, da sie den Volksdichter Lamarr De Compostella dahingehend beeinflusst habe. Affolters jüngere Schwester Hedi gründete das reformierte Basler Frauenkartell und war eine militante Frauenrechtlerin und obschon ihre Ansichten ihrem Bruder zu weit gingen, unterstützte er sie wo er konnte. Von ihm ist der Auspruch überliefert: "I dene Wasserkepf oxidiert d¨Rischtig vo dr'ch Athene jo bivorch d'r(ch) Hephaistos dänä d' Birä spaltet u d' Öilä vo d'r(ch) Minerva verliert jo d'Fäderä bevor(ch) sie kha abhebe." Er habe sich sehr oft übermässig aufgeregt über "d'Herre vom Daig z' Basel".
AFG: Wie war das schon mit der Firma seines Vaters? Er sollte doch als einziger Sohn die Fabrik übernehmen.
IBG: Walter Affolter hat schon sehr früh seinem Vater zu verstehen gegeben, dass er sich nicht eigne als Patron. Er durfte aber seinem Vater nie erzählen, dass er durch einen Patriziersohn, einen von Steiger, im Internat heimlich an die Schriften von Marx gekommen war. Er hatte in der Folge die frühen Schriften von Hegel gelesen, als dieser noch Hauslehrer bei von Steiger in Tschugg bei Erlach war. In diesen frühen Schriften lass er über die Manufaktur der Nähnadel und über die Entfremdung der Fabrikarbeiter. Affolter war bald ein Krypto-Linker. In Tschugg hielt Hegel im übrigen sein Interesse für die revolutionären politischen Ereignisse in Frankreich aufrecht. Seine Sympathie galt bald der „Girondisten“-Fraktion, weil er zunehmend ernüchtert wurde durch die übermäßige Brutalität der jakobinischen Schreckensherrschaft. Er gab allerdings nie sein früheres positives Urteil über die Ergebnisse der Französischen Revolution auf.
AFG: Hat Affolter nicht den Hegel verflucht, weil dieser die Schweiz beleidigt hatte?
IBG: Ah sie meinen wegen dem Satz: «Die Vernunft findet in dem Gedanken der Dauer dieser Berge oder in der Art der Erhabenheit, die man ihnen zuschreibt, nichts, das ihr imponiert, das ihr Staunen oder Bewunderung abnötigte. Der Anblick dieser ewig toten Massen gab mir nichts als die Vorstellung: es ist so.»
AFG: Genau, das habe ich irgend einmal gelessen. Da hat Hegel dem Kant eins auswischen wollen.
IBG: Affolter war alles andere als ein Alpinist, aber in seiner Jugend war er einmal in Zermatt und erlebte ein Alpenglühen, das ihm Zeit Lebens nachgegangen sei. "Der Hegel sei eben ein Stubenhocker gewesen, nicht so sehr wie der Kant, der aber seinerseits das Erhabene geradezu erfunden habe." So Affolter im Originalton.
AFG: 1927 erhält Walter Affolter den Ehrendoktor der Universität Berena, 1929 wird ihm Grabungsverbort erteilt , die Lizenz auf seinem eigenen Grund und Boden - er hatte wie Evans das Grabungsgelände erworben - entzogen. Fortan durfte er nur noch anwesend sein, wenn die staatliche Archäologie grub. Wie ist das zu verstehen?
IBG: Nun, zum einen ist die Gattin des Präsidenten gestorben, was Präsident Paco Mollièr veranlasste, zurückzutreten. Zu der neuen Kaste um den Nachfolger hatte Affolter keine Beziehung mehr. Zum Andern hatte es einige Wechsel auf den Lehrstühlen gegeben. Die Archäologie wurde von den aufstrebenden Nationalisten vereinnahmt und der fremde Entdecker musste zurückstehen. Es war einiges politisch motiviert. Natürlich war Affolter ein "Amateur". Das war aber Evans, Schliemann und Co. auch, wenn man diese mit der modernen Archäologie vergleicht. Natürlich hat Affolter zielstrebig seine anfänglichen Mutterrechtsphantasien in der Grabung zum Ausdruck gebracht. Aber die insbesondere römischen Schichten sind eher unbedeutender Natur, wenn man ehrlich ist. Es handelte sich um einen kleineren Gutshof, wenn ich mich recht erinnere, den er etwas unsorgsam "umgepflügt" hatte.
AFG: Er hat sich dann in die Schweiz zurückgezogen und lebte dann in der Villa Rosenhain bis zu seiner Einweisung. Lassen Sie uns die Zeit, insbesondere seine Bekanntschaft mit Dr. Carl Irlet aus Twann und der Pfahlbauerei Revue passieren.
IBG: Schon bald hat Affolter festgestellt, dass im Norden die Frühgeschichte eine ganz andere war.
Goldstein, Sie sind, wenn ich so sagen darf, die "Hausbiografin" der Walter Affolter Stiftung. Sie haben sich eingehend mit dem Leben und Wirken von Dr. hc. Walter Affolter auseinandergesetzt. Darf ich Sie um eine kurze Einführung in seine Jugendzeit und sein Umfeld bitten, bevor wir mit dem Interview beginnen?
IBG: Sehr gerne. Die Eltern von Walter, Emil und Klara Rosa Affolter haben 1877 im Basler Fraumünster geheiratet und sind zusammen in die neu gebaute Villa Rosenhain, zwischen Dornach und Arlesheim, gezogen. Walter ist anno 1880 als zweitältestes von drei Kindern, seiner Schwester Johanna Magdalena (Lene), geboren 1878 und seiner jüngeren Schwester Hedi Bernadette, geboren 1883, auf die Welt gekommen. Seine Jugend verlief wohlbehütet im grossbrgerlichen Haushalt. Der Mutter stand die Magd Adele Wismüller zur Seite die gute Seele des Hauses, die zuweilen auch die Kinder betreute. 1876 übernahm Emil Affolter die Firma seines Vaters, eine grosse Sattlerei, die bis anhin Luxusdroschken für die Oberschicht hergestellt hatte. Emil bereiste Südamerika und kam in Kontakt mit Händlern, welche Kautschuk und andere Rohstoffe exportierten. Insbesondere sein Onkel Karl Affolter, einer von drei Brüdern seines Vaters, ein studierter Jurist, war schon sehr früh im 19. Jarhundert nach Manaus Brasilien ausgewandert. Seine Heirat mit Isabella de Santos, Tochter eines Kautschukbarons bescherte ihm ein ansehnliches Vermögen. Diese Beziehung ermöglichte es ihm, dass er der erste Anwalt auf dem Platz wurde. Seine Kanzlei beschäftigte an die 15 Mitarbeiter, welche die umfangreichen Exportverträge für die Grossgrundbesitzer ausarbeiteten. So lag es denn fast auf der Hand, dass Emil, auf Anraten seines Onkels in das boomende Kautschukgeschäft einstieg. Karl hatte gute Beziehungen zu Nelson Goodyear, der das Patent für die Herstellung von Ebonit, einem besonders harten Gummimaterial, besass. So kam Emil zu einer Lizenz und begann zuerst seine Droschken mit Gummireifen zu versehen und später richtete er eine Kammschneiderei ein, welche aus Ebonit Kämme produzierte. Die Firma hatte schon bald eine ansehnliche Grösse. Der Ehegatte von Lene, der deutsche Chemiker Dr. Emanuel Hasenclever aus Jena hatte eine leitende Position in dem Labor der Affolterwerke inne. Lene, die zeitweise im Büro des Vaters arbeitete, lernte den talentierten jungen Mann schon bald kennen und die beiden wurden, wie man so schön sagt, ein Paar. Es war Walters Glück, dass sein Vater Emil sich sehr gut mit Hasenclever verstand, so konnte er sich um die Nachfolge im Geschäft drücken. Das kann der "Hasi", so nannte Lene Hasenclever ihren Mann, das kann der besser, hat Walter oft zu seiner Mutter gesagt. So konnte denn Walter seinem Wunsch, Historiker zu werden, nachkommen. Der frühe Tod von Emil Affolter 1901 war wie man sich denken kann, eine familiäre Tragödie; doch "Hasi" hat mit der Einwilligung von Schwiegermutter Klara Rosa und Schwager Walter, das Zepter in die Hand genommen. Damals war für Walter diese Patrilinearität selbstverständlich, die Schwestern wurden gar nicht gefragt.
AFG: Sehr schön. Sind Sie einverstanden, wenn wir später auf die Forschungstätigkeit von Walter Affolter eingehen und zuerst seine akademische Laufbahn kurz beleuchten?
IBG: Sehr gern.
AFG: War Walter Affolter das, was man heute einen Feministen bezeichnen würde?
IBG: Nein war er anfänglich und ich denke auch später nicht. Weder stand er während der Studienzeit einer Frauenbewegung nahe, noch interessierte er sich für die Gleichstellung von Frau und Mann, wie wir sie heute diskutieren. Er kannte jedoch zu viele bedeutende Frauen, um einem platten Biologismus der Differenz zu verfallen. 1901 besuchte er die erste Honorarprofessorin Preussens, die Altertumsforscherin Johanna Mestorf. Sie war es, die die Begriffe Einzelgrabkultur, Prachtmantel oder Moorleiche im Bereich der schnurkeramischen Kulturen prägte. Affolter war gar der Meinung, dass intelligente Frauen, wenn sie einmal ihre angestammte Rolle verlassen hatten, den Männern bstens das Wasser reichen konnten. Viel Später verbrachte er ja die Zeit zwischen 19?? und seiner Einlieferung in die psychiatrische Anstalt 19??, zu Hause bei seiner Mutter und seiner jüngeren Schwester. Die beiden Damen haben ihn sehr umsorgt und er konnte sich ganz seinen Passionen widmen, der Jagd und seiner Forschung. Er liess es sich gut gehen, ein Pascha ganz im Sinne seiner Zeit.
AFG: Er hat hat relativ wenig Schriftbarkeiten hinterlassen. Neben seiner Dissertation und einigen Forschungsberichten existiert ein mittlerer Briefnachlass, welcher erst noch in Bearbeitung ist, soviel ich weiss. Wie muss man sich denn seine Forschungen erklären?
IBG: Anfänglich war er stark beeinflusst von den Geistern seiner Zeit, insbesondere Nietzsche später aus besonderem Anlass von den Theorien Johann Jakob Bachofen. Frazers, Tylors und Morgans.
Wie Kant oder Spinoza verwirft er jedoch die Annahme von zweckgerichteten Prozessen in der Natur. Insbesondere die Kritik Spinozas gegen den teleologischen Anthropomorphismus gewisser Lehren teilte er voll und ganz. Er hat eine Dissertation über den Teleologie Begriff des deutsch-baltischen Naturforschers, Zoologen, Embryologen, Anthropologen, Geographen, und Forschungsreisenden, ja dem Entdecker der menschlichen Eizelle, Karl Ernst von Baer angefangen, diese aber nie abgeschlossen. Seinen Doktor erhielt er später von der Universität Berena ehrenhalber.
AFG: Wie ist er denn auf die Archäologie gekommen?
IBG: Bachofen, welcher im Matriarchat eine Durchgangsstufe der Entwicklung postulierte, weckte in Affolter ein reges Interesse an der Frühgeschichte und Mythenforschung. Ebenfalls kannte er die Feldforschung von Lewis Henry Morgan bei den matrifokalen Irokesen. 1902 erfuhr er auf einer Bildungsreise zu den griechischen Inseln, dass Sir Arthur Evans ein grosses Gelände zu Zwecken archäologischer Ausgrabungen auf Kreta erworben hatte. Auf dem Rückweg machte das Schiff mit den illustren Reisenden, alles wohlhabende Europäer, im Hafen von Berena auf Sehnah einen Zwischenhalt. Walter Affolter entschloss sich die Reisegesellschaft zu verlassen und auf eigene Faust die Insel zu bereisen…
AFG: Darf ich Sie unterbrechen, steht der Teleologie Begriff im Zusammenhang mit dem, was Bachofen und andere als evolutionäre Durchgangsstufe vermuteten?
IBG: Ich denke durchaus, dass dieser Zusammenhang gegeben ist. Seine Geisteskrankheit hat später viel mit den Fragen zu tun, die man heute als anthropisches Prinzip diskutiert. Wie etwa später der theoretische Physiker John Archibald Wheeler behauptete Affolter in seinen Schüben, das Universum existiere nur, solange er oder sonst etwas Wahrnehmendes dieses denke. Sobald das letzte Subjekt verschwunden sei, kollabiere das ganze System ins Nichts. Das aber nur nebenbei. Im 19ten Jahrhundert, bei bei Bachofen bewegte sich das Chthonische, die der Erde zugewandten Gottheiten, namentlich einer grossen Göttin, z.B. der sumerische Nammu, der Schöpferin der Götter, oder der Kybele etc. etc. hinauf zu den männlichen Hauptgöttern Zeus, denen das Kopfgebären scheinbar ein Anliegen war. Eine platonische Aufwärtsspirale als Zweckgebundenheit der anthropomorphen Natur sozusagen bis hin zum Monotheismus eines Amenophis IV, oder eines jüdischen Jahwe.
AFG: Diese Aufwärtsspirale war ihm natürlich zuerst mal suspekt denke ich?
IBG: Die war ihm geradezu zu wider. Nicht weil er zurück wollte zum chthonischen, nein, er wollte weg von alle dem. Später kapituliert er an den Befunden und Auswüchsen des Patriarchats und nicht an der Tatsache, dass er kein echtes Matriarchat ausgegraben hatte.
AFG: Wie ist das zu verstehen?
IBG: Als 1911 die zweite Republik in Sehnah eine neue Verfassung erhielt, war es die Gattin des Präsidenten Laconda Mollièr, welche sich stark für Frauenrechte eingesetzt hatte. Sie war beinahe vergleichbar mit der späteren argentinischen Präsidentengattin Evita Peron. Sie kam aus der unteren Mittelschicht, ihr Vater war Landvermesser und die Mutter stammte aus einer Bauernfamilie. Affolter fand in Laconda eine seiner grossen Verehrerinnen. Sie war angetan von den grossen Fragen des Mutterrechts und der Affolterschen Kritik an Bachofen. So war den auch das Frauenstimmrecht eine scheinbare Selbstverständlichkeit auf Sehnah. Der Text der Landeshymne "Oh Matria mia" wird ihr zugeschrieben, da sie den Volksdichter Lamarr De Compostella dahingehend beeinflusst habe. Affolters jüngere Schwester Hedi gründete das reformierte Basler Frauenkartell und war eine militante Frauenrechtlerin und obschon ihre Ansichten ihrem Bruder zu weit gingen, unterstützte er sie wo er konnte. Von ihm ist der Auspruch überliefert: "I dene Wasserkepf oxidiert d¨Rischtig vo dr'ch Athene jo bivorch d'r(ch) Hephaistos dänä d' Birä spaltet u d' Öilä vo d'r(ch) Minerva verliert jo d'Fäderä bevor(ch) sie kha abhebe." Er habe sich sehr oft übermässig aufgeregt über "d'Herre vom Daig z' Basel".
AFG: Wie war das schon mit der Firma seines Vaters? Er sollte doch als einziger Sohn die Fabrik übernehmen.
IBG: Walter Affolter hat schon sehr früh seinem Vater zu verstehen gegeben, dass er sich nicht eigne als Patron. Er durfte aber seinem Vater nie erzählen, dass er durch einen Patriziersohn, einen von Steiger, im Internat heimlich an die Schriften von Marx gekommen war. Er hatte in der Folge die frühen Schriften von Hegel gelesen, als dieser noch Hauslehrer bei von Steiger in Tschugg bei Erlach war. In diesen frühen Schriften lass er über die Manufaktur der Nähnadel und über die Entfremdung der Fabrikarbeiter. Affolter war bald ein Krypto-Linker. In Tschugg hielt Hegel im übrigen sein Interesse für die revolutionären politischen Ereignisse in Frankreich aufrecht. Seine Sympathie galt bald der „Girondisten“-Fraktion, weil er zunehmend ernüchtert wurde durch die übermäßige Brutalität der jakobinischen Schreckensherrschaft. Er gab allerdings nie sein früheres positives Urteil über die Ergebnisse der Französischen Revolution auf.
AFG: Hat Affolter nicht den Hegel verflucht, weil dieser die Schweiz beleidigt hatte?
IBG: Ah sie meinen wegen dem Satz: «Die Vernunft findet in dem Gedanken der Dauer dieser Berge oder in der Art der Erhabenheit, die man ihnen zuschreibt, nichts, das ihr imponiert, das ihr Staunen oder Bewunderung abnötigte. Der Anblick dieser ewig toten Massen gab mir nichts als die Vorstellung: es ist so.»
AFG: Genau, das habe ich irgend einmal gelessen. Da hat Hegel dem Kant eins auswischen wollen.
IBG: Affolter war alles andere als ein Alpinist, aber in seiner Jugend war er einmal in Zermatt und erlebte ein Alpenglühen, das ihm Zeit Lebens nachgegangen sei. "Der Hegel sei eben ein Stubenhocker gewesen, nicht so sehr wie der Kant, der aber seinerseits das Erhabene geradezu erfunden habe." So Affolter im Originalton.
AFG: 1927 erhält Walter Affolter den Ehrendoktor der Universität Berena, 1929 wird ihm Grabungsverbort erteilt , die Lizenz auf seinem eigenen Grund und Boden - er hatte wie Evans das Grabungsgelände erworben - entzogen. Fortan durfte er nur noch anwesend sein, wenn die staatliche Archäologie grub. Wie ist das zu verstehen?
IBG: Nun, zum einen ist die Gattin des Präsidenten gestorben, was Präsident Paco Mollièr veranlasste, zurückzutreten. Zu der neuen Kaste um den Nachfolger hatte Affolter keine Beziehung mehr. Zum Andern hatte es einige Wechsel auf den Lehrstühlen gegeben. Die Archäologie wurde von den aufstrebenden Nationalisten vereinnahmt und der fremde Entdecker musste zurückstehen. Es war einiges politisch motiviert. Natürlich war Affolter ein "Amateur". Das war aber Evans, Schliemann und Co. auch, wenn man diese mit der modernen Archäologie vergleicht. Natürlich hat Affolter zielstrebig seine anfänglichen Mutterrechtsphantasien in der Grabung zum Ausdruck gebracht. Aber die insbesondere römischen Schichten sind eher unbedeutender Natur, wenn man ehrlich ist. Es handelte sich um einen kleineren Gutshof, wenn ich mich recht erinnere, den er etwas unsorgsam "umgepflügt" hatte.
AFG: Er hat sich dann in die Schweiz zurückgezogen und lebte dann in der Villa Rosenhain bis zu seiner Einweisung. Lassen Sie uns die Zeit, insbesondere seine Bekanntschaft mit Dr. Carl Irlet aus Twann und der Pfahlbauerei Revue passieren.
IBG: Schon bald hat Affolter festgestellt, dass im Norden die Frühgeschichte eine ganz andere war.